Jugend mischt mit: Wie gelingt Partizipation in der Kirche?

  • 9.2.2021
  • Andreas Attinger
  • Jugendreferat des Kirchenkreises Gladbach-Neuss

Jugend mischt mit (1): Jugendlichen mehr Teilhabe in der Kirche zu ermöglichen – das ist das Ziel von vier Modellprojekten der Evangelischen Kirche im Rheinland. In unserer Serie „Jugend mischt mit“ stellen wir sie vor. Zum Start berichten die Beteiligten aus dem Kirchenkreis Gladbach-Neuss von ihren Ideen und Zielen rund um Gremienarbeit und Online-Jugendzentrum.

„Unsere Devise lautet: ,Erst Themen, dann Gremien‘“, berichtet Detlef Bonsack, Jugendreferent im Jugendreferat des Evangelischen Kirchenkreises Gladbach-Neuss . Damit definiert er die Marschroute des Partizipationsprojekts . Es gehe um die grundsätzliche Frage, wie Jugendliche in der Kirche beteiligt werden könnten. Ziel sei es, neue analoge und digitale Formen der Kommunikation, Meinungs- und Entscheidungsfindung zu entwickeln „Und da muss auch erörtert werden, ob Gremien überhaupt das Richtige sind“, sagt der 58-Jährige. Herausfinden möchte er das zusammen mit Jugendreferentin Nadine Weuthen sowie den studentischen Hilfskräften Marie Christin Unger und Sarah Röhricht. Drei weitere Modellprojekte gibt es in den Kirchenkreisen Kleve, Altenkirchen und Jülich.

Das Projektteam: Nadine Weuthen, Marie Christin Unger, Sarah Röhricht und Detlef Bonsack (von links oben im Uhrzeigersinn).

Jugendpartizipation kein leichtes Unterfangen

Um auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen zu können, hat das Team zu Beginn des Projekts eine Umfrage durchgeführt. „Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem die Themen Klimaschutz und Rassismus für sie wichtig sind“, berichtet Unger. Zudem seien Wissenslücken bezüglich Gremien wie dem Presbyterium deutlich geworden. „Da müssen wir Informationsräume schaffen. Denn Jugendliche können sich nur beteiligen, wenn sie wissen, was existiert und wie es funktioniert.“

Wissensvermittlung via Social Media

Helfen sollen dabei etwa Infos, die über Social Media verbreitet werden. Ein Beispiel: Im Dezember 2020 haben sich hinter den 24-Türchen der „AdventTur“ Erklärungen zu kirchlichen Begriffen wie Kreissynodalvorstand oder Superintendent versteckt. Informiert wird zudem seit Anfang Februar über einen Newsletter, der online abrufbar ist . Auch an weiteren Ideen mangelt es nicht. Eine Möglichkeit sei ein sogenannter „Jugendcheck“. „Mit diesem Formular können beispielsweise Beschlüsse im Presbyterium auf ihre Jugendtauglichkeit überprüft werden“, erläutert Röhricht. Geplant sind zudem lokale Treffen und Veranstaltungen, um über das Projekt aufzuklären und dem Team ein Gesicht zu geben.

Austausch der Schlüssel zum Erfolg

Denn für die Verantwortlichen ist klar: Soll das Projekt Früchte tragen, ist ein Austausch zwischen allen Beteiligten sowie den Jugendlichen an den 56 Standorten der Kinder- und Jugendarbeit im Kirchenkreis das A und 0. In Arbeitsgruppen sollen mit Jugendlichen Ideen erarbeitet werden. „Nur gemeinsam können wir nachhaltige Partizipationsformen entwickeln und das vorhandene Potential ausschöpfen“, sagt Jugendreferentin Weuthen. Für Unger bietet die aktuelle Situation dafür eine große Chance. „Viele Gruppen treffen sich digital. Dadurch können wir uns vielerorts vorstellen und vernetzen.“

Corona-Pandemie bremst Modellprojekte aus

Der Startschuss für die Modellprojekte fiel Anfang 2020. „Doch dann bremste Corona uns alle ordentlich aus“, berichtet Weuthen. Geplante Netzwerktreffen, Arbeitsgruppen und Infoveranstaltungen mussten ausfallen. „Dadurch wurde das Projekt noch mal viel digitaler, wir konnten etwa unsere Social Media-Reichweite deutlich erhöhen“, sieht die 31-Jährige aber durchaus auch etwas Positives in der Krise. Das helfe dem Projekt.

Online-Jugendzentrum steht in den Startlöchern

Und so verwundert es nicht, dass nun ein digitales Angebot in den Startlöchern steht: ein Online-Jugendzentrum auf dem Instant-Messaging-Dienst Mattermost. Der Code der Open-Source-Software ist öffentlich zugänglich und beliebig veränderbar. „Damit ist theoretisch alles möglich“, erklärt Unger. Gesellschaftsspiele könnten integriert werden. In virtuellen Räumen seien Audio- und Videochats möglich – auch mit der ekir-Videochat-Anwendung. Ein weiterer Vorteil: die Software sei datenschutzrechtlich unbedenklich, kostengünstig und könne unkompliziert von anderen Kirchenkreisen genutzt werden. „Die sechs Jugendlichen, die den digitalen Raum gestalten, sind jedenfalls begeistert“, weiß die 30-Jährige.

Mattermost kann Hemmschwellen abbauen

„Die Plattform soll die Jugendarbeit vor Ort ergänzen und zu einer Art 24/7-Jugendzentrum werden“, ergänzt Röhricht. Es sei wichtig, dass Kirche im digitalen Raum stattfinde. „Denn dort verbringen Jugendliche viel Zeit“, betont die 21-Jährige. Zudem könne das Angebot Hemmschwellen abbauen. „Wenn ich niemanden kenne, brauche ich mehr Mut, um zu einem Jugendtreff zu gehen.“ Sich online zu beliebigen Zeiten einzuloggen sei da deutlich einfacher. Spätestens im März soll das auf dem Mattermost-Server des Jugendreferats möglich sein.

„Interesse in den Gemeinden ist sehr groß“

Das Team ist sich sicher, dass schon bald weitere Ideen entwickelt und umgesetzt werden. Denn das Interesse in den Gemeinden sei groß und steige stetig. Der Grund dafür ist für Bonsack klar: „Das Thema Partizipation spricht sich immer mehr herum.“ Dadurch entstünden viele gute Ideen. „Das ist wie ein Pflänzchen, das langsam beginnt zu wachsen.“

Info: Die Jugendpartizipationsprojekte

In unserer Serie „Jugend mischt mit“ stellen wir die vier Modellprojekte der Kirchenkreise Gladbach-Neuss, Altenkirchen, Jülich und Kleve vor. Die Projekte gehen auf einen Beschluss der Jugendsynode 2019 zurück. Darin wurde die die Evangelische Kirche im Rheinland beauftragt, verbindliche Formen der Teilhabe junger Menschen in Gemeinden und Gremien zu schaffen. Diesen Beschluss übernahm die Landessynode 2019. „Sechs Kirchenkreise haben sich dafür beworben, in vier ist es schließlich zu einem Projekt gekommen“, berichtet Roland Mecklenburg vom Amt für Jugendarbeit der rheinischen Kirche. Los ging es im Januar 2020. „Weil Corona die Umsetzung der Projekte ausgebremst hat, ist die ursprünglich für drei Jahre angesetzte Förderung durch die Landeskirche um sechs Monate verlängert worden“, erklärt Mecklenburg.