Pressemitteilung

Bewegende Geschichten aus den Flutgebieten

  • 30.12.2021

Durch die Flut im Sommer haben zahlreiche Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz viel verloren. Geliebte Gegenstände sind zerstört oder vom Wasser davongetragen. Nach und nach kommt aber etwas langsam zurück: die Hoffnung. Sie zeigt sich in bewegenden Hilfsaktionen. An dieser Stelle sammeln wir fortlaufend solche Geschichten aus den Flutgebieten.

Weltweite Solidarität, die bewegt

Das Schicksal der von der Flut Betroffenen berührt alle, auch viele Menschen in Afrika, Asien und vielen Teilen Europas. Und so wurden auch in diesen Regionen Spenden gesammelt, die denjenigen zugute kommen, die von den Flutschäden betroffen sind. Besonders bewegend ist die Geschichte der Spendensammlung der Baptistischen Kirche in Zentralafrika (CBCA) im Kongo. Das Gebiet der Kirche liegt im im Ostkongo, in der Grenzregion zu Uganda, Ruanda, Burundi und Tansania. In einem Gebiet also mit hoher politischer Instabilität und wiederholten Szenen von Krieg, Morden, Entführungen und blutigen ethnischen Konflikten.

Um die Spenden nach Deutschland zu bringen, nahm ein Freund der Gemeinde eine lange Reise auf sich. Er fuhr mit dem Bargeld zur Partnergemeinde nach Dar es Salaam in Tansania. Er legte dafür etwa 1.500 Kilometer zurück. Der Grund: „Die Übersendung des Geldes über die Bank ist schlicht zu teuer“, erklärt Christine Musongya, Leiterin der Diakonie und der Entwicklungsabteilung bei der CBCA im Gespräch mit der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Die Diakonie RWL hat in einem aktuellen Artikel  zusammengefasst, aus welchen Teilen der Welt bereits für die Flutregionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gespendet wurde.

Ein Weihnachtsstern als Hoffnungszeichen

Renate Pilz ist nicht nach Weihnachten zumute. „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr“, seufzt die 82-Jährige aus dem rheinland-pfälzischen Sinzig. Als in der Nacht auf den 15. Juli die Flut kam und das Wasser meterhoch stieg, wurde ihr Haus an der Ahr zerstört. In letzter Sekunde flüchtete sie aus dem Keller ins Obergeschoss, Feuerwehrleute retteten sie mit einem Boot. Ihre Nachbarin ertrank in der Flut. Jetzt wohnt Renate Pilz bei ihrem Sohn – und wartet noch immer auf den Gutachter für die Wiederaufbauhilfe.

So wie ihr geht es etlichen Menschen im Ahrtal, die die Flutkatastrophe vor fünf Monaten überlebt haben. Viele seien mit den Nerven am Ende, körperlich und seelisch entkräftet, sagt die Sinziger Pfarrerin Kerstin Laubmann. Und gerade jetzt, zur Weihnachtszeit, brächen Gefühle der Verzweiflung, der Wut und der Einsamkeit besonders stark auf. Manche, so scheint es, haben die Hoffnung verloren, dass es für sie und ihre Familien schnell besser wird. Andere blicken nach vorne, haben die Fassaden ihrer Häuser mit Lichterketten geschmückt und Weihnachtssterne in die Fenster gehängt.

Im „Cafe SolidAHRitaet“ in Sinzig gibt es freitags ökumenische Treffen mit Austausch bei Kaffee und Kuchen. Foto: epd-Bild/Meike Böschemeyer

„Jetzt kommen die Erinnerungen hoch, der Gesprächsbedarf steigt“, sagt Pfarrerin Laubmann. Seit kurzem lädt sie immer freitagnachmittags ein in das „Café SolidAHRität“ ins Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Remagen-Sinzig. Zu dem offenen ökumenischen Treff sind diesmal mehr als 20 vor allem ältere Menschen gekommen. Bei Kaffee und Kuchen tauschen sie sich zwei Stunden lang aus, stützen sich gegenseitig. „Man bekommt einfach mal den Kopf frei und sieht, wie es anderen so geht“, sagt Carla Hellmann. Die 75-Jährige ist frustriert darüber, dass der Wiederaufbau im Ahrtal nur langsam vorankommt. „Man kriegt keine Handwerker mehr“, wirft Inge Kriechel (78) ein. Auf rund 200.000 Euro summierten sich die Sanierungskosten für ihr flutgeschädigtes Haus, erzählt sie: „Wie soll ich das bezahlen als Rentnerin? Meine Hoffnung ist weg.“

Auch Herbert Groß, 63 Jahre alt, weiß noch nicht, wie es weitergeht. Beim Bau seines Hauses schloss er keine Elementarschutzversicherung ab – und muss jetzt bangen, dass er die Kosten des Wiederaufbaus selbst schultern muss. In das Gemeindecafé mit anschließendem gemeinsamen Adventssingen kommt der Rentner freitags gerne: „Ich habe sonst niemanden, mit dem ich reden kann.“ Die vier älteren Sinziger eint eines: Sie wollen in ihrer schönen 18.000-Einwohner-Stadt bleiben, wo die Ahr in den Rhein fließt, und sie nicht wie andere verlassen. Die Starkregenkatastrophe kostete im Ahrtal 134 Menschen das Leben; 49 Menschen starben im benachbarten Nordrhein-Westfalen.

Nur knapp 200 Meter vom Sinziger Gemeindezentrum entfernt steht das frisch verputzte Gebäude der Lebenshilfe. Grablichter erinnern an die zwölf geistig und körperlich behinderten Bewohnerinnen und Bewohner, die dort ertranken. Insgesamt 14 Menschen kamen in Sinzig in der Flut um, berichtet Pfarrerin Laubmann. Die Menschen im Ahrtal stehen zusammen in der Not, und an Weihnachten noch etwas mehr. Überall in den von der Flut betroffenen Straßenzügen hört man es hämmern. Manche Häuser sind noch immer schlammverspritzt, einige stehen leer. „Dank allen Helfern“ hat jemand auf seinen Kleinbus gesprüht. Kinder spielen in den von Schlamm und Schutt freigeräumten Gärten, das Leben geht weiter. Netzwerke der gegenseitigen Hilfe seien entstanden, erzählt die ehrenamtliche Trauertherapeutin Sabine Reinhart. Nach ihrer Erfahrung sehnen sich die durch Corona zusätzlich gebeutelten Menschen vor allem wieder nach Normalität.

Um den Menschen das Leben ein bisschen weihnachtlich zu machen, bieten die Kirchengemeinden im Ahrtal einiges an. Pfarrerin Claudia Rössling-Marenbach aus Adenau etwa fährt mit ihrem Chor aus Ehrenamtlichen zum „Adventssingen“ durch die Orte. Ihre Kollegin Elke Smidt-Kulla aus Bad Neuenahr – das durch die Flut besonders schwer betroffen ist – bietet wöchentlich eine Adventsandacht an. „Mit vielen Kerzen und viel Musik in der Kirche, so wie jedes Jahr“, sagt sie. An Heiligabend ist ein Gottesdienst in einem großen Zelt im Kurpark geplant.

„Es muss weitergehen, ich habe einen Schutzengel gehabt“, sagt Renate Pilz. Auch wenn die Sorgen groß seien, habe sie „Weihnachten im Herzen“, ergänzt Carla Hellmann. Nur die Holzfiguren ihrer Krippe hätten die Flut überstanden. Nun hätten ihr ihre Kinder einen neuen Krippenstall für das Weihnachtsfest geschenkt. Über Hellmanns Krippe wird Heiligabend dann vielleicht der Herrnhuter Stern leuchten, den ihr Pfarrerin Laubmann geschenkt hat. Der handgearbeitete Papierstern ist ein kleines Hoffnungszeichen, gestiftet von Menschen aus Sachsen. Das „Café SolidAHRität“ bleibt geöffnet, solange es nötig ist, verspricht die Pfarrerin.

In Swisttal ist noch Raum in der Herberge

Eine festliche Weihnachtsfeier in der Kirche für alle, die Heiligabend nicht zuhause feiern können oder möchten. Das ist das Angebot der Evangelischen Kirchengemeinde Swisttal in ihrer Maria- Magdalena-Kirche. Nicht nur in Swisttal sind Flutbetroffene in ihre teils noch entkernten Häuser zurückgekehrt. Aber noch fehlt vielen die Heizung. „Wir finden: Es geht nicht, dass sie eine schöne Christvesper in der warmen Kirche erleben und dann in ihre kalten Häuser zurückkehren“, sagt Pfarrerin Claudia Müller-Bück. Deshalb sollen die Besucherinnen und Besucher nach dem Gottesdienst bleiben können. Oder auch erst zur Feier kommen. Das Motto ist „Raum in der Herberge“. Am Heiligabend wird nach dem Gottesdienst Platz in der Kirche gemacht und es werden Tafeln aufgebaut und es wird ein klassisches Weihnachtsmahl mit Braten und Rotkohl geben. Wer dabei sein möchte, kann sich noch anmelden.

Bonner General-Anzeiger stellt 11.700 Euro für Jugendmusikgruppen bereit

Die evangelische Kirchengemeinde in Bad Neuenahr-Ahrweiler hat sich in der Kinder- und Jugendarbeit auf musikalische Projekte und Theaterprojekte spezialisiert. Das Gemeindehaus war deshalb bis zur Flut ein Ort, an dem Aufführungen und Konzerte einstudiert wurden oder einfach gemeinsam musiziert oder gesprochen wurde. Die Flut hat jedoch nicht nur das Gemeindehaus selbst schwer getroffen, sondern auch sämtliche Instrumente und Requisiten der Musik- und Theatergruppen zerstört. Für viele Kinder und Jugendliche ist dadurch nicht nur ein wichtiger Treffpunkt, sondern auch eine Möglichkeit zur Freizeitbeschäftigung weggefallen. Der General-Anzeiger hilft nun mit einer Spende von 11.700 Euro aus, die im Rahmen der Aktion Weihnachtslicht zusammengekommen sind. Leserinnen und Leser der Zeitung haben laut Verlagsangaben nach der Flut  insgesamt rund 6,4 Millionen Euro gespendet, die für die Beseitigung der Flutschäden gedacht sind. Mit der Spende an die Gemeinde in Bad Neuenahr-Ahrweiler werden nun unter anderem neue Instrumente angeschafft. Und ein Teil der Spenden ist auch schon fest eingeplant, um die Kosten für jeweils eine Aufführung der Musicalgruppe, der Theatergruppe und des Kinderchores zu decken.

Tauschbörse erzählt mit Hilfsangeboten eigene Adventsgeschichten

Viele Menschen setzen in der Adventszeit auf eine Dekoration, die eine Geschichte erzählt und immer wieder an Erlebnisse mit der Familie und den Liebsten erinnert. Doch was, wenn die Flut diese Deko und damit auch viele Erinnerungen genommen hat? Eine Tauschbörse soll nun Ersatz bringen. Wer nach Kugeln, Krippen oder Pyramiden mit einer Vorgeschichte sucht oder diese anbieten möchte, kann dies nun auf der Plattform tun, die Pfarrerin Judith Weichsel, Nadine Günther-Merzenich und das Team der Diakonie Euskirchen ins Leben gerufen haben. Ausschlaggebend für das Team war das Gespräch mit einem Vater aus Bad Münstereifel, der  seinen Verlust geschildert hat. Auf der Webseite der Tauschbörse wird er zitiert: „Das Schlimmste ist, dass der ganze Weihnachtsschmuck weg ist. Und ich will gar keinen ganz neuen kaufen. Ich will meinen geerbten. Ich wünschte, mir würde jemand von seinen Sachen etwas abgeben. Muss gar nicht neu sein, sondern lieber mit einer Geschichte.“ Machen Sie gerne mit , wenn es Ihnen ähnlich geht oder Sie etwas anbieten möchten.

Beim Adventssingen im Ahrtal summen auch starke THW-Helfer mit

Im Ahrtal waren am ersten Adventswochenende trotz der bedrückenden Situation fröhliche Klänge zu hören. Pfarrerin Claudia Rössling-Marenbach aus Adenau hatte zu einem spontanen Adventssingen eingeladen. In Müsch fand das Singen in Sichtweite einer Behelfsbrücke statt, die das Technische Hilfswerk (THW) kurz zuvor aufgestellt hatte. „Sogar die THW-Jungs haben mitgebrummt“, berichtete Rössling-Marenbach von dem Adventssingen, das in ähnlicher Form auch in Schuld und Antweiler stattgefunden hat. Die Aktion ist schon über die Grenzen der rheinischen Kirche bekannt geworden und die Landeskirche Braunschweig plant, das Adventssingen durch Spenden zu unterstützen.

Im Waschsalon wird Fluthilfe geleistet

Wer in „Luthers Waschsalon“ in Hagen um Hilfe bittet, will sich aufwärmen, einen Kaffee trinken, Wäsche waschen oder medizinisch versorgen lassen. Seit 24 Jahren ist das Projekt der Diakonie Mark-Ruhr eine Anlaufstelle für wohnungslose und arme Menschen. Jetzt kommen immer mehr Bürger, die hier Hilfe erbitten, weil ihre Wohnungen überschwemmt wurden. Und so wurde hier auch Soforthilfe ausgezahlt, die über den Spendenaufruf der Evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen und der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe eingegangen sind.

Ilona Ladwig-Henning leitet „Luthers Waschsalon“ in Hagen, wo auch Fluthilfe geleistet wird. Foto: Frank Schultze/Diakonie Katastrophenhilfe

 

Merziger „Sternschnuppen“ bringen Geschenke für Kinder ins Schleidener Tal

Bunt verpackte Päckchen mit Weihnachtsmotiven stapeln sich im evangelischen Gemeindehaus in Hellenthal. Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende der Evangelischen Kirchengemeinde Merzig haben sie kurz vor der Adventszeit in den Eifelort nördlich von Gerolstein gebracht. Dorthin, wo seit der Nacht vom 14. auf den 15. Juli dieses Jahres nichts mehr so ist wie zuvor. Die Geschenke sind für Kinder aus Familien bestimmt, die bei der Flutkatastrophe ihr Hab und Gut verloren haben.

Im August veranstaltete die Kirchengemeinde Merzig in Kooperation mit der Kreisstadt Merzig schon eine Sommerfreizeit, um Kindern aus dem Flutgebieten ein wenig Abwechslung vom tristen Alltag im Katastrophengebiet zu verschaffen. Die Verbindung zu den Partnern der Trinitatiskirchengemeinde im Schleidener Tal blieb erhalten. Und nicht nur das: Die Spendenbereitschaft der saarländischen Bevölkerung war im Sommer so groß, dass nach Abzug aller Kosten für die Ferienfreizeit noch Geldmittel auf dem Konto des Fördervereins „Cor et manus“ („Herz und Hand“) übrig waren. Auf Initiative des Schleidener Pfarrers Oliver Joswig und von Frank Paqué, dem Leiter der Merziger Tafel, entstand so die Idee für die „Sternschnuppen“.

„Die Kinder haben ihre Wünsche auf Karten geschrieben, die vor Ort gesammelt wurden, wir haben daraufhin die Geschenke besorgt“, erklärt Paqué das Konzept. Über 60 Wünsche in einer Größenordnung von bis zu 50 Euro pro Kind hätten so erfüllt werden können. „Uns war es wichtig, dass die Spendengelder aus dem Sommer zweckgemäß verwendet werden, also vollumfänglich den Kindern zugutekommen“, sagt Paqué, der bereits die Sommerfreizeit federführend organisiert hat.

Achim Bill (Vorsitzender des Fördervereins „Cor et manus“), Paula Gerling (FSJ’lerin der Kirchengemeinde Merzig) und Prädikantin Silja Pagel brachten die Geschenke von Merzig nach Hellenthal. Foto: Ev. Kirchengemeinde Merzig/Frank Paqué

Hilfe aus dem Ruhrgebiet für Wipperfürth

Bei dem Hochwasser der Wupper im Sommer wurde in dem Gemeindezentrum  der Evangelischen Kirchengemeinde Wipperfürth das Untergeschoss überflutet. Die Folge: Die komplette Elektronik des Gemeindezentrums wurde zerstört. Aus dem Ruhrgebiet haben sich deshalb schon im Oktober fachkundige Helfer aufgemacht, um die beschädigten Leitungen auszubauen und neue Leitungen zu verlegen. Federführend bei den Arbeiten sind die Bobbies (Bottroper Bürger engagiert im Einsatz) aus Bottrop , ein Verein aus dem Umfeld der Evangelischen Kirchengemeinde in der Ruhrgebietsstadt. Steffen Hunder, Pfarrer im Ruhestand aus Essen, hat die Hilfsaktion begleitet und sich mit dem Projektleiter Thomas Dreesen ein Bild vor Ort gemacht.

Pfarrer Steffen Hunder (links) lässt sich die Renovierungsarbeiten im evangelischen Gemeindezentrum Wipperfürth zeigen. Foto: Thomas Dreesen

Alle weiteren Artikel zur Flut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben wir auf einer Übersichtsseite für Sie zusammengefasst.

  • Evangelisch im Saarland/Rieke Eulenstein, Aaron Clamann